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Inhaltsverzeichnis:
Mehr als 10.000 Wörter
1. Der Reformweg über die Steuergestaltung 4300 Wörter
2. Die Umkehr der Umsatzsteuer — die negative Mehrwertsteuer zur Bekämpfung des Arbeitshandels
3. Sich schleichen aus der Eurokrise — Feministisch gedacht
4. Wie finanziert sich ohne Werbung?
5. Grundeinkommen Kultur: Die persönliche Kulturkarte für Jedermann
6. Vermögenssteuer mit Rückerstattung
Der Reformweg über die Steuergestaltung
4300 Wörter
I. Salzstreuer aus Gold
Wie würde — rein theoretisch — ein rationelles, das heißt, universell vertretbares Steuerkonzept aussehen? Dass wir im dunklen Schatten der taktierenden Tagespolitik davon Lichtjahre entfernt sind, braucht uns nicht vom Träumen abzuhalten. Denn wir sind einsichtig, und wir wollen Steuern mit Stolz bezahlen. Nicht aber diese Steuern, die halb Europa kaputt machen und die andere Hälfte in die Depression treiben.
Eine große Steuerlast entfällt auf die Arbeit, und wen wundert es da, dass die Arbeit rar geworden ist? Richtig bezahlte erst recht. Eine zusätzliche Steuerlast — nämlich die EUweite Mehrwertsteuer sogar für persönliche Dienstleistungen — belastet die kleinen ortsnahen Dienstleistungen des Alltags, die sonst für sinnvolle und menschengerechte Arbeitsplätze sorgen könnten. Dafür aber genießen die Maschinen und deren Statthalter fiskalische Vorteile im Übermaß. Die Fabrikanlagen werden schnell steuerlich abgeschrieben, das Kapital ohnehin kaum besteuert, die Gewinne werden im Ausland gemeldet, hierzulande nicht.
Ingenieure, Logistiker und Ähnliche bemühen sich täglich, die bereits atemberaubende Effizienz bei der Materialverarbeitung zu steigern und somit noch weniger arbeitsintensiv zu gestalten. Wenn bloß die Kindergärtner und Altenpfleger sich zusammenreißen und ebenfalls nicht so zeitintensiv mit der Bearbeitung ihres Materials befassen würden; wenn bloß auch bei ihnen die Abfertigung und die Abläufe schneller vonstatten gingen; da kämen auch sie an Produktivitätszahlen, die sich mit der Industrie vergleichen liessen …
Zugegeben, die Polemik ist ein Hauch unfair. Natürlich hat niemand so etwas gefordert. Und doch. Denn die Steuerbelastung im sozialen Bereich, wo Effizienzsteigerungen unmöglich oder unmenschlich wären, beziehungsweise diesen (wirtschaftlich gesprochen) enge Grenzen gesetzt sind, fällt nicht geringer aus als beim Maschinenbediener.
Hier geht es nicht darum, wer nun mehr, wer weniger Gehalt unter dem Strich erhalten soll. Es geht um die Verfälschung der Messung der wirtschaftlichen Leistungen. Die Steuerlast sollte — so der universelle Anspruch — gleichmäßig gemäß der Leistungsfähigkeit beziehungsweise der wirtschaftlichen Bedeutung verteilt werden. Der Nutzen des Schulunterrichts (aber auch der Kultur) zeigt sich aber eigentlich erst viele Jahre — sogar Jahrzehnte — später, wenn der Nutzen vieler Fabrikartikel schon längst verflossen ist. Wir haben es mit anderen Zeiträumen zu tun. Die Rechnungslegung gründet auf der Wahnvorstellung, alles ließe sich in abgehakten Jahren — sogar Quartalsberichten — niederschreiben. Hier greift die spurious precision um sich, das heißt, die entgleiste oder abwegige Präzision.
Wenn die gleiche Messlatte angewendet wird, gleichgültig, ob nun mit High-Tech-Materialien und Prozessen in der Fabrik oder aber mit Menschen gearbeitet wird, so findet eine enorme volkswirtschaftliche Verzerrung statt. Wir haben es mit Branchen zu tun, die von der Art her so grundverschieden sind wie sonst nur Gold und Salz. Diese beiden Waren haben eine Zeit lang Westafrikaner und Araber Gewicht gegen Gewicht gehandelt, also mit der gleichen Messlatte. Sollten aber dafür heute Salz und Gold den gleichen Steuersatz erhalten?
Wie verschieden sind wohl diese Branchen? — So verschieden wie ein Baum, seine Wurzeln, seine Blätterpracht, seine Samen? Ist da das Wort Branchen — Äste — noch passend?
II. Steuern an falscher Stelle
Viele Ungleichgewichte im Wirtschaftsund Arbeitsleben rühren daher, dass Steuern an falscher Stelle und ineffizient erhoben werden: — so der Ausgangspunkt dieser Überlegungen. In einer humanen Industriegesellschaft lässt sich praktisch nicht vermeiden, dassdie Staatsquotehochliegt, unddementsprechend müssen Ressourcen mittels hoher Steuersätze umverteilt werden. Es geht darum, wie diese Umverteilung vonstatten geht.
Die Problematik hat zwei Seiten. Zum ersten fragt sich, wie ein effizientes Steuersystem aussehen müsste. Dazu gehört, dass die Erhebung der Steuer möglichst unauffällig vor sich geht und die menschenfreundliche wirtschaftliche Tätigkeit — auch den kleinen Handel in ortsnahen Dienstleistungen oder sonst übers Internet — nicht beeinträchtigt.
Zum zweiten steht die Frage, wie man dieses erreichen könnte, da, wo das vorhandene System so weit davon entfernt ist. Dieser Aspekt ist leider in der Praxis viel gewichtiger als er eigentlich sein sollte, denn die Masse der Bürger tut sich mit starken Veränderungen der relativen Preisgestaltung schwer, auch wenn diese Veränderungen in ihrem Sinne verlaufen. Man spricht von der Klebrigkeit der Preise — auch der Löhne und dergleichen mehr. Die Gewohnheit und die Psychologie spielen groß mit, denn der ungeschulte Gerechtigkeitssinn besteht auf Bestandsschutz und mag sich nicht auf Argumente einlassen, die die positiven Folgen als Ausgleich für Nachteile anbieten. Man erinnert sich zudem misstrauisch an die vielen Fälle, bei denen diese Rechnung nicht aufging. Dass sie häufig doch im günstigen Sinne aufging, hat man längst vergessen.
Auch die wesentlichen Probleme der aktuellen Finanzkrise in Europa ließen sich mittels einer radikalen Veränderung der Abgabenpolitik gut bekämpfen. Mit Fiskalunion allerdings auf gar keinen Fall, solange diese keine Umwälzung in der Steuergestaltung vorsieht. Wenn keine Rettung über getrennte Währungen zugelassen wird, muss der Lösungsweg unausweichlich entweder über unterschiedliche Steuern gehen oder aber über die Planwirtschaft und dann mit entsprechenden Kapitaltransfers.
III.
Im Prinzip holt man sich die Steuereinkünfte da, wo die Erhebung sich leicht und zuverlässig verwalten lässt; aber ebenfalls dort, wo Ressourcen — genauer gesagt, Geldflüsse — in großer Menge und längerfristig vorhanden sind. Sehr lange lag es dementsprechend nahe — in einer verschollenen Zeit der Vollbeschäftigung — viele Abgaben an die Arbeit zu koppeln. Es ist ein jahrzehntelanger Armutsbeweis der Politik gewesen, auf die Veränderungen im Arbeitsmarkt nicht zu reagieren. Zwar beteuern viele Politiker, dass die Abgabenlast auf die Arbeit zu hoch liegt, handeln tun sie aber nur zimperlich. Die Arbeitgeber beschweren sich zudem und zu Recht über die Bürokratie der Abgaben, denn es bleibt nicht bei einer Abgabenart.
In Deutschland insbesondere hält man noch hartnäckig am Sinn der verschiedenen Töpfe — ein Topf für Sozialversicherung, ein Topf für Krankenversicherung, und so weiter, fest. Nichts gegen die Vorteile der Funktionstrennung, im Gegenteil, diese setzt aber eine Menge voraus, darunter in diesem Fall die gut bezahlte Vollbeschäftigung, die längst nicht mehr gegeben ist. Dabei ist allseits bekannt, dass die Statistiken zur Arbeitslosigkeit das eigentliche Ausmaß vertuschen, denn die Unterbeschäftigung und nicht zuletzt die unzureichenden Einkünfte von vorgeblich Selbständigen, ist noch viel größer: Der Selbstausbeutung wird an jeder Ecke durch marode Strukturen Vorschub geleistet.
Zu den Prinzipien, dass die Steuererhebung möglichst unkompliziert und zuverlässig vonstatten gehen soll und dort zu greifen hat, wo auch das Geld zu holen ist, gesellen sich weitere Überlegungen. So darf die Steuererhebung einer sinnvollen wirtschaftlichen Tätigkeit — auch längerfristig — nicht entgegenwirken. Ihr kommen auch — und hier kann es eher kontrovers werden — zusätzliche Funktionen zu, so, wenn bestimmte Produkte oder Leistungen verteuert werden, andere dafür, wenn nicht gleich subventioniert, dann doch zumindest steuerbefreit werden sollen. Wie der Name auch sagt, kommt der Steuer überhaupt, sowohl im Kleinen (also beim Konsumenten), als auch im Großen (zum Beispiel bei Investitionen), unvermeidlich eine Lenkungsfunktion zu.
Eine Rolle der Politik und des öffentlichen Diskurses besteht überhaupt darin, einen Mittelweg des weitgehenden Konsenses anzubahnen, damit der Staat die Wünsche und Prioritäten der Bürger nicht herrschsüchtig bestraft, andererseits aber das Wohl des Landes und die Zukunft nicht aus den Augen verliert. Letzteres tut er, wenn er nur noch auf die momentanen Steuereinnahmen schielt und nicht mehr darauf achtet, wie nun die Steuereinnahmen entstehen und was alles aufgrund der Steuergestaltung auch ausbleibt.
Jeder mathematisch ausgebildete Wirtschaftswissenschaftler kann Kartentricks vorführen, wie dem Anschein nach Umsätze generiert werden, die sich theoretisch besteuern ließen, wobei aber unter dem Strich nichts erreicht wird. Als Kontrollfrage überlege man, ob es um Nullsummenspiele geht oder doch um nachweisbaren (also vorzeigbaren) Mehrwert. Mit Mehrwert hat im Übrigen eine Mehrwertsteuer nicht immer zu tun.
Man nehme als simples Beispiel Kartenspiele im wortwörtlichen Sinn mit Geld als Einsatz, oder Casinos, die eher staatlich beaufsichtigt werden. Das Geld wird umgeschichtet, einige Teilnehmer werden ärmer, andere reicher, und nach Angabe mancher Public-Relations-Sprecher wird sogar vom Casino ein Unterhaltungswert generiert. Arbeitsplätze auch. Einmal angenommen, dass wir ein Recht dazu haben, uns gelegentlich der Aufregung und der Aussicht hinzugeben, im Handumdrehen unverdientes Geld zu ergattern, dürfte unumstritten sein, dass eine solche Branche kein Standbein einer Wirtschaft bilden kann; oder wenn schon, dann nur parasitär, wenn ein isolierter Ort sich sonst nicht zu retten weiß. Bei diesem Beispiel sind die Gegebenheiten noch übersichtlich, in anderen Fällen nicht mehr, insbesondere, wenn Sinnvolles und Sinnloses vermengt werden. So haben manche Rechtsstreitigkeiten und Börsengeschäfte eher Spielcharakter.
Eine Verpflichtung des freiheitlichen beziehungsweise gerechten Staates in diesem Zusammenhang wäre es, sicherzustellen, dass kein Normalverdiener sich zum Spielen gezwungen oder genötigt sieht; also auch nicht zum Rechtsoder Börsenspiel (Stichwort Pensionsfonds, Lebensversicherungen). Und erst recht nicht zu Spielereien mit dem Steuersystem, wie dies seit langem aufgrund der komplizierten Subventionsund Abzugsmöglichkeiten geschieht.
An ein weiteres Prinzip darf an dieser Stelle erinnert werden. So richtig es ist, die Anzahl der Steuerarten und abgaben nicht übermäßig steigen zu lassen, so spricht alles dagegen, es ganz radikal mit der Vereinfachung zu betreiben. Eine gewisse Streuung ist durchaus wünschenswert, sonst werden einige legitime Situationen unverhältnismäßig belastet; das heißt, es empfiehlt sich mitunter, sowohl direkte als auch indirekte Steuern vorzusehen. Geld hat unvermeidbar mehrere Funktionen, darunter als Tauschmittel in der Gegenwart und als Wertspeicherung für die Zukunft. Mit Steuern ist es nicht anders. Diese rechtfertigen sich zunächst als Voraussetzung für die Bezahlung von Infrastruktur, Bildung und die Gewährleistung des Friedens — auch des inneren Friedens, der ohne den teuren Sozialstaat keineswegs gegeben ist. Die Erhebung ist aber niemals ganz wertfrei zu gestalten, auch wenn die Wertungen unterschiedlich betont sind. Bestimmte Konsumgewohnheiten werden künstlich kostspielig gestaltet, andere dafür billig gehalten. Ein Vorwurf gegen die bestehenden indirekten Steuern besteht darin, dass der Mehrwertsteuersatz für Luxusund Bedarfsartikel weitgehend gleich ist.
III. Lebensaltergerechte Steuergestaltung
Philosophisch könnte man eine Unterteilung machen. Wirtschaftswissenschaftlich auch, was heute vielleicht mehr Eindruck macht. Lebensgeschichtlich ohnehin: Wir werden als Kinder geboren, und wenn alles gut geht, sterben wir alt. Zu Beginn und zum Ende schwach. In der jahrzehntelangen Zwischenzeit sind wir stark produktiv. Wir schaffen nicht nur das heran, was wir täglich für uns allein brauchen, sondern die Mittel, um unsere Schuldigkeit den Älteren gegenüber zu tun und unsere Hoffnungen in unsere Nachkommen setzen zu können.
Es ist immer wieder die Rede von Naturrecht. Die Idee ist weniger tüchtig, als sie zunächst erscheinen mag, denn die Natur ist erst recht ein weites Feld. Stellen wir uns aber einmal vor, es gäbe so etwas wie eine natürliche (logische, in-sichschlüssige, konsequente) Steuergestaltung: eine Steuergestaltung, die den Lebenslauf der Menschen in der Gesellschaft abbildet; die die Verantwortlichkeiten bestimmten Altersgruppen zuordnet; und deren Ansprüche und Entscheidungskompetenzen auch.
So hätten junge Menschen eine Verpflichtung, sich auszubilden, damit sie eines Tages für die Gesellschaft geradestehen und sie weiterführen können. Sie müssten sich Wissen und Fertigkeiten und Arbeitsdisziplin aneignen, ohne bereits selbst produktiv arbeiten zu müssen. Sie hätten nicht nur die Verpflichtung zu dieser Ausbildung, sondern auch damit einhergehend Anspruch auf die Mittel dazu, einschließlich der finanziellen Mittel. Und so ist es auch.
So hätten Erwachsene mitten im Leben die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass für die Erziehung und Ausbildung der jüngeren Generation die Mittel bereitstehen. Und diese Pflicht haben sie auch.
Entsprechend könnte der älteren Generation, die nicht mehr produktiv arbeitet, eine Funktion der Weitsicht zukommen. Weitsicht hieße, über die eigenen Horizonte hinaus eine besondere Obhut für die Grundlagen des Lebens auszuüben. Sie wäre damit — unter anderem — die vorderste Hüterin der Umwelt.
In dieser Rolle dürfte diese Altersgruppe das Tempo des Verbrauchs der Naturressourcen durch die Höhe der entsprechenden Verbrauchssteuern stark mitbestimmen, deren Einnahmen für deren Versorgung (Rente, medizinische Fürsorge, Pflege) ausgegeben werden. Denkbar wäre auch, weitere Kosten des Gesundheitswesens (zum Beispiel für chronische Krankheiten) ebenfalls aus diesem Topf finanzieren zu lassen. (Die obenstehende Polemik gegen die Töpfe richtete sich nicht gegen das Prinzip, das hier stark bejaht wird, sondern dagegen, dass die derzeitigen Töpfe nicht mehr durchdacht sind.)
IV. Kreisläufe
Bei der Wirtschaft haben wir es mit Zuteilung und Kreisläufen zu tun. Beide bilden wir mit Geld ab, das sich der Sprache der Mathematik bedient. Eine komplexe Gesellschaft kommt so wenig ohne Geld aus wie ohne Sprache. Faules Geld entsteht, wenn es nicht mehr fließt, oder nur hinund herfließt oder wie elektrischer Strom in einem Kurzschluss — in einer Sackgasse — endet. Es gibt nicht nur faules Geld: es gibt auch Sprachverzerrungen, zweifelhafte Statistiken und marode Mathematik. Man sollte auf der Hut sein.
Kreisläufe sind dynamisch und sie erfassen in einer ausgeglichenen Wirtschaft alle Akteure. Die Wirtschaft ist — so wird hier als unstrittig unterstellt — mehr als die Summe vieler einzelner Transaktionen. Die Steuerabgaben sorgen dafür, dass Geld auch dahin gelenkt wird, wo kurzfristige Überlegungen es sonst nicht ausreichend hinbringen würden. Ein Steuersystem hat immer auch die Aufgabe, das Geld umzuverteilen. Wenn die Steuern mit System erhoben werden sollen, und sie nicht wie jetzt weitgehend bloß dort geholt werden, wo sie sich widerstandslos holen lassen, dann bietet es sich an, sie entsprechend den Gegebenheiten der Altersgruppen zu gestalten.
Die noch nicht erwachsene Generation bezahlt im Prinzip keine direkten Steuern, sie empfängt vielmehr recycelte Steuereinnahmen. Die nicht mehr (voll) arbeitsfähige Generation ist ebenfalls nicht produktiv und dürfte dementsprechend — volkswirtschaftlich gesehen — keine direkten Steuerzahlungen mehr leisten. (Die Sichtweise hier richtet sich nach dem Durchschnitt und nach den Ursachen der Zahlungsfähigkeit beziehungsweise Zahlungspflicht. Einzelne Mitglieder beider Gruppierungen werden heute natürlich doch für Steuerabgaben herangezogen, und dies wird auch im vorgeschlagenen „natürlichen“ Steuersystem nicht ausgeschlossen; es handelt sich aber dabei um Steuern, die eine Korrektur darstellen — ähnlich den jahresübergreifenden Posten — sogenannten Abgrenzungen — in einer Bilanz. Das Geld, das im Ausnahmefall von einzelnen Mitgliedern als Steuer abgeführt wird, rührt von einer anderen Zeit her: zum Beispiel in Form einer Pension oder aber von anderen Personen im Falle der Erbschaft. Unser Thema hier aber ist der Kreislauf überhaupt.)
Die Rede bisher war von direkten Steuern, und das ist vornehmlich die Einkommensteuer. Die Situation bei den indirekten Steuern ist zunächst etwas verworrener. Da die Menschen in der Erziehungsund Ausbildungszeit Netto empfänger sind, handelt es sich volkswirtschaftlich um einen Umweg der Geldflüsse. Ein Teil des Geldes, das ihnen in die linke Hand gedrückt wird, wird ihnen aus der rechten Hand als indirekte Steuerabgabe gleich wieder weggenommen. Der Umweg ist notwendig, um das Funktionieren des Marktes zu gewährleisten. Denn welche Produkte oder Dienstleistungen gekauft werden, soll im Sinne der Marktwirtschaft den Einzelentscheidern überlassen werden. Der Weg von der linken zur rechten Hand läuft über die gewerblichen Anbieter, und dem einzelnen Anbieter ist es schon wichtig, ob dieser Weg über ihn oder über seine Konkurrenten läuft. Unter dem Strich bezahlt aber die noch nicht produktive Generation keine Steuern. Der Umweg, den deren Geld von der linken in die rechte Hand geht, stellt keine Belastung dar.
Anders kann es auch nicht sein, soweit eine volkswirtschaftliche Momentaufnahme der Kreisläufe gemacht wird. Allerdings ist dem existierenden System anzulasten, dass viele junge Menschen unzureichend versorgt werden. Dadurch, dass sie vom Staat kein Grundeinkommen erhalten, sind sie auf die Freundlichkeit und Zahlungsfähigkeit Anderer — vorwiegend ihrer Eltern — angewiesen. Zum Teil treten sie vorzeitig die produktive Arbeit an. Zum Teil holen sie sich das Geld für die
Ausbildungszeit über Kredite, deren Rückzahlung zu Unzeiten sie in ihrer Lebensführung (Familiengründung, Entfaltung der Persönlichkeit) schwer belasten kann. Diese Gegebenheit ist nicht nur für sie nachteilig, sie birgt auch Gefahren für die Volkswirtschaft zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Kreditrückzahlungen vielleicht ausfallen.
Wir haben es hier — aber auch an allen anderen Ecken — mit einem chaotischen System zu tun, das aufgrund seiner Unübersichtlichkeit kaum noch zu reparieren ist, so sehr die taktierenden Politiker sich um Pflaster und Übergangslösungen kümmern. Die Kreisläufe des Geldes (beziehungsweise der Kredite) und somit auch der Steuerabgaben stimmen nicht mehr mit dem Kreislauf des menschlichen Lebens überein. Damit ist das Geld auf kurz oder lang faul. Der Austausch wird erschwert, der Handel kommt ins Stocken, und es herrscht zunehmend Misstrauen. Irgendwann muss eine Wende kommen, bis sie aber kommt, kann vieles im Argen liegen. Es ist deshalb ratsam, gedankliche Vorbereitungen zu treffen, damit die Wende ausreichend radikal und durchdacht ist, wenn sie endlich unausweichlich vor der Tür steht.
Wir brauchen einen ganzheitlichen Ansatz, der an erster Stelle die wesentlichen Kreisläufe berücksichtigt. Geld muss zur jungen Generation fließen sowie auch zur älteren. Das war immer so, und so wird es auch bleiben, mit oder ohne einen starken Staat. Es kommt darauf an, wie viel, und wer die Geldflüsse bestimmt.
In der modernen Gesellschaftsform vermeiden wir wirtschaftsbedingte persönliche Abhängigkeiten unter Erwachsenen: Jeder soll das eigene Geld haben und somit nicht auf die Gefälligkeit seiner Familienmitglieder angewiesen sein. Die persönlichen (auch die familiären) Beziehungen sollen von Zuneigung oder sonstiger Verbundenheit geprägt sein, aber möglichst eben nicht von Geld oder materieller Abhängigkeit. Die Anonymität des Staates (auch übrigens des Marktes) — dessen Neutralität — hat vieles für sich, das bei jeder Beschimpfung unterschlagen wird. Es ist eine Errungenschaft für die Menschenwürde und die Aufrichtigkeit, dass man sich bei den Nächsten nicht aus Not verstellen muss: eine Errungenschaft, die heute Teile der Politik uns wegnehmen möchten.
Es waren dies Überlegungen, die sich beinahe erübrigen würden, die aber die Festigkeit des Rahmens untermauern, der hier für die Steuergestaltung und staatliche Ausgabenpolitik gepriesen wird.
V. Ein neuer Generationenvertrag
Eine saubere Lösung sieht vor, dass die heranwachsende Generation ein Grundeinkommen zugewiesen bekommt, das für ihre Bildung und ab einem bestimmten Alter für den Lebensunterhalt sorgt. Im Gegenzug obliegt es jedem jungen Erwachsenen, sich um diese Bildung und die entsprechende Lebensführung zu bemühen.
Es bleiben untergeordnete Grundsatzfragen: Wie ist das Eintrittsalter, wann scheidet man aus? Inwieweit werden auch Kinder hier mit abgedeckt? Rechtlich zählen als Heranwachsende die Achtzehnbis Zwanzigjährigen, es spricht aber vieles dafür, diesen Begriff ab sechzehn oder früher, mit Beginn der Pubertät, anzuwenden, denn es sind dies keine Kinder mehr (sie sind zeugungsfähig). Sie mögen zwar weniger reif sein, das trifft aber auch auf viele Alte zu.
Es ist dies kein unbedingtes Plädoyer für ein universelles Grundeinkommen. Es spricht zwar in einer Situation der Arbeitsknappheit, der Prekarität und der schiefen Hierarchien vieles dafür, denn sonst werden Mittellose von zynischen „Arbeitgebern“ sowohl finanziell als auch seelisch ausgebeutet. Wenn sie nicht gleich ein Hohn sind, so bieten die Arbeitsgerichte hier keine besondere Rettung: Die Privatwirtschaft hat eigene Mittel, um Missliebige für den Gang vor Gericht zu bestrafen, falls dieses doch Recht spricht. Die Sozialhilfe setzt voraus, dass bereits bescheidene Ersparnisse aufgebraucht wurden.
Bis zu dem Zeitpunkt, zu dem ein echter Arbeitsmarkt — und das heißt, eine Arbeitnehmerknappheit — wieder hergestellt ist und auch einiges mehr zurechtgerückt wird, stellt ein Grundeinkommen wohl die beste Lösung dar — aber eben nur als Übergangslösung. Obwohl viele die Bequemlichkeit eines Grundeinkommens nicht ausnützen würden, um zu faulenzen, so gibt es Andere, die dies doch tun würden. Oder würden diese sich vermehren, ohne die erforderliche Erziehungsarbeit voll leisten zu wollen. Mit der Zeit entstünde ferner eine Erwartungshaltung, die auf die Ausnützung der Arbeitswilligen hinausläuft. Jedes soziale System muss Korrekturen in Reserve halten, um die individuellen Tugenden tüchtig zu halten und den Lastern (Faulheit, Habgier) entgegenzuwirken. Schließlich muss das Grundeinkommen der Einen über Umwege von dem Einkommen der Anderen herrühren.
Die Überlegungen zum Grundeinkommen betreffen natürlich die Bürger nur in ihren arbeitsfähigen Jahren und nicht im Rentenalter. Die Vorstellung, die noch immer von wirklichkeitsfernen Politikern und Ideologen kolportiert wird, man solle sich universell um eine Zusatzrente, große Lebensversicherung oder bedeutende Ersparnisse kümmern, beruht auf zu vielen falschen Prämissen, als dass man sie schnell zusammenfassen könnte. Es gab vielleicht eine kurze Epoche, als diese Denkweise glaubhaft war, inzwischen wurde die Welt schon vor der Finanzkrise 2008 für die meisten zu unsicher und unberechenbar, als dass der Gedanke der frommen Eigenvorsorge für viele noch ernst zu nehmen war.
In vielen Gesellschaften sind die Alten die Besitzer der Häuser und daher des Bodens, wobei es sich versteht, dass sie diese stellvertretend für ihre noch nicht geborenen Nachkommen innehaben. Es handelt sich um ein Genussrecht. Es steht ihnen nicht frei, das Heim und den Boden zu verkaufen.
Ähnlich könnten wir den Besitz des Bodens überhaupt auffassen. Und das Genussrecht den Alten überlassen. Das könnte so aussehen: Die Erlöse einer Besteuerung der Rohstoffe — also von den Erzeugnissen des Bodens und somit auch der aufgestauten Sonne der Urzeiten — würden für die Grundeinkommen und die Gesundheit der älteren Generation aufgewendet. Das nennen wir Ressourcensteuer. Diese Steuer dient ferner dazu, sicherzustellen, dass die großen Töpfe der Welt zumindest etwas langsamer leergeräumt werden.
VI. Produktsteuer
Es gilt, das Missverhältnis zwischen steuerlicher Belastung der Arbeitsplätze und relativer steuerlicher Entlastung der Industrieanlagen zu beseitigen. Die Nachteile der vorhandenen Aufteilung sind vorhin angesprochen worden und, da sich kaum jemand findet, der tatsächlich das jetzige System prinzipiell verteidigen möchte, erübrigt sich beinahe eine Aufzählung. Trotzdem, als Beispiele:
Es ist für den Endverbraucher häufig billiger, ein neues Gerät zu kaufen, als das alte reparieren zu lassen. Dies gilt insbesondere, wenn man die Nebenkosten der Reparatur beziehungsweise des Neukaufs mit berücksichtigt. Zum Teil rührt dieser Umstand von der Preispolitik der Unternehmen her, denn eine Reparatur erfordert meistens ein Ersatzteil, dessen Preis übertrieben hoch liegen kann. Zum Teil rührt der Umstand aber auch daher, dass die Kosten der Verschrottung des Altgeräts beziehungsweise der entstehenden Umweltbelastung nicht mit in das Kalkül fließen. Diese Kosten werden schließlich von der Allgemeinheit oder sogar von unseren Nachkommen getragen, so dass wir diese als Einzelkonsumenten nicht zu berücksichtigen brauchen.
Zur Klarstellung: Es wird hier nicht behauptet, dass prinzipiell eine Reparatur einem Neukauf vorzuziehen wäre. Das dürfte sehr unterschiedlich sein, je nach dem Fall (zum Beispiel, angesichts einer neuartigen Effizienz beim Stromverbrauch). Die Kritik besteht vielmehr darin, dass aufgrund einer künstlichen Preispolitik der Unternehmen einerseits und einer verzerrenden Steuerpolitik andererseits die Wirtschaftlichkeit der Konsumentenentscheidung nicht mehr mit dem gesamtwirtschaftlichen Gehalt des Kaufvorgangs übereinstimmt. Was für den Kunden sinnvoll ist, mag häufig volkswirtschaftlich oder für die Umwelt abträglich sein, und daran ist an erster Stelle der Staat schuld. Denn auch die Preispolitik der Unternehmen dürfte zumindest teilweise auf steuerliche Gegebenheiten zurückzuführen sein, die die Unternehmen direkt nicht zu verantworten haben.
Eine ähnliche Verzerrung findet beim Einkauf von Gegenständen mit geringem Wert statt. Eine informierte und unabhängige Beratung, wenn sie einmal angeboten würde, dürfte viel und häufig sogar mehr kosten, als der Gegenstand selbst. Konsumenten, die voll arbeiten und entsprechend verdienen, haben selten die Zeit, sich über bestimmte Produkte zu informieren, auch wenn dies praktisch möglich ist. Daran Schuld ist zum Teil die herrschende Einkaufskultur.
So könnte man sich alternativ vorstellen, im Fachgeschäft einen Verkäufer für den Rat getrennt zu bezahlen, um sicher zu gehen, dass man nicht etwas aufgeschwatzt bekommt, dessen Verkauf zwar interessant für den Verkäufer ist, weniger geeignet aber aus Sicht des unwissenden Käufers. (Diese Problematik und diese Lösung gelten übrigens noch eindeutiger und bedeutender im Bereich der Finanzprodukte; hier wurde von der EU vor kurzem etwas Abhilfe geschaffen, allerdings — wie üblich — mit jahrzehntelanger Verspätung.)
Somit sind wir weitgehend auf Selbstbedienung angewiesen, da der erforderliche Aufschlag für eine neutrale Hilfestellung durch echtes Fachpersonal zu groß wäre, um sich vertreten beziehungsweise durchsetzen zu lassen.
Die schiefe Steuerpolitik wirkt zudem gegen die Entfaltung der Persönlichkeit (also gegen Artikel 2 des Grundgesetzes), denn individuelle Wünsche, deren Befriedigung naturgemäß ohnehin kostspieliger ausfällt, werden zusätzlich besteuert. So kann zum Beispiel eine alte edle Tür nur arbeitsintensiv restauriert werden; weitaus billiger ist die neue Tür frisch aus der Fabrik, denn das Gros der Steuerlast entfällt auf die Arbeitsstunden. Auch der regelmäßige Konzertbesuch wird steuerlich benachteiligt im Vergleich zu den Vollkosten einer Musikanlage der Spitzenklasse. Die Gegebenheiten der Massenproduktion erzeugen ohnehin Kostenvorteile gegenüber dem traditionellen, individuellen Geschmack. Anstatt aber sich zumindest neutral zu verhalten, schaltet sich der Staat zugunsten der Gleichmacherei ein.
Das hat zudem Folgen für die Beschäftigung. Die Automatisierung stellt sicher, dass die Fabriken immer weniger Arbeitsplätze anbieten und es sind solche, bei denen die individuelle Entfaltung ausgeschlossen ist. Dafür kann die Arbeit an der Wiederherstellung eines alten Gegenstandes menschlich befriedigend wirken wie sonst nur das Spielen im Orchester. Nach Vorstellung des Staates sollen aber Tischler und Musiker eine Umschulung machen — vielleicht für das Webdesign oder das Marketing? — oder sich sonst verarmt vom Arbeitsmarkt zurückziehen.
Diese Überlegungen setzen voraus, dass als Korrektur keine „Steuerhinterziehung“ beziehungsweise „Schwarzarbeit“ stattfindet. Sie führen aber auch zwingend zum Schluss, dass diese — in dieser Situation und vor diesem Hintergrund — nicht nur gerechtfertigt sind, sondern ethisch durchaus angebracht, sogar geboten, sein können.
Wie kann nun das Missverhältnis zwischen steuerlicher Belastung der Arbeit und steuerlicher Entlastung der industriellen Produktion beendet werden? Es liegt nahe, bescheiden bezahlte Arbeit von Abgaben ganz zu befreien. Nach dem vorgestellten Modell werden Rentenbeiträge nicht mehr erhoben, denn die Renten werden über die Ressourcensteuer bezahlt. Einkommensteuer wird zwar noch erhoben (zur Bezahlung der Bildung der nächsten Generation), dürfte aber bei kleinen Löhnen noch nicht greifen.
Wie können diese Ausfälle wettgemacht werden? — Wir führen eine Produktsteuer ein. Diese wird am Fabriktor oder auch bei der Einfuhr erhoben. Die Produkte (auch Halbwaren) werden in (beispielsweise) zehn Kategorien eingeteilt, je nach der Kapitalintensität ihrer Herstellung. Die Kapitalintensität steht normalerweise im umgekehrten Verhältnis zur Arbeitsintensität. Produkte, die relativ einfach herzustellen sind, erhalten einen geringfügigen steuerlichen Zuschlag; hochwertige technische Produkte erhalten einen hohen.
Die Produktsteuer bezahlt die Infrastruktur, denn auf diese sind die Hersteller direkt angewiesen, während andere im Notfall mit weniger auskommen könnten.
Wie verträgt sich eine Produktsteuer mit dem internationalen Handel? Es ist egal, ob sie am Fabriktor oder im Einfuhrhafen erhoben wird. Die inländischen und ausländischen Produzenten sind gleichgestellt. Sie entfällt bei der Ausfuhr (dafür könnte aber das Empfängerland eine entsprechende Steuer bei der Einfuhr erheben); beziehungsweise wird sie dem Produzenten bei Ausfuhr erstattet. Die Produktsteuer ließe sich idealerweise für die ganze EU einführen, bei der Einführung in einem einzigen Mitgliedsland wären Anpassungen erforderlich. Sie würde aber dem Gedanken der Freihandelszone keinen Abbruch tun, denn sie diskriminiert nicht die Einfuhren.
Die Produktsteuer ist zudem unter dem Strich weit weniger bürokratisch als die vorhandenen Systeme. So ist sie zuverlässiger und einfacher zu bewerkstelligen als bei den vorhandenen gestreuten Steuern. Es müssen ja nur die Geschäftsbücher und Ausgänge der Fabriken überprüft werden und nicht jeder Arbeitseinsatz (was ohnehin faktisch unmöglich ist). Man kann sich ferner vorstellen, dass konkurrierende Wirtschaftsprüfungsgesellschaften beauftragt werden, um teilweise doppelte Kontrollen durchzuführen.
Die Umkehr der Umsatzsteuer — die negative Mehrwertsteuer
zur Bekämpfung des Arbeitshandels
I.
Es wird bei uns kein legaler Handel mehr mit Menschen getrieben, bereits der Gedanke daran wirkt abstoßend, und der illegale Handel wird als besonders schlimm geächtet und geahndet. So weit, so gut. Und doch begünstigt unser Steuersystem praktisch den ungeregelten Handel mit Menschenarbeit anstatt für die ordentliche Beschäftigung oder eine echte Partnerschaft zu sorgen. Das lässt sich nicht nur am Tsunami der Zeitarbeitsfirmen ablesen, sondern auch bei den Auswüchsen der sonstigen Agenturen, die Dienstleistungen einkaufen, um sie ohne nennenswerte Bearbeitung bzw. ohne eigentlichen Mehrwert weiter zu verkaufen. Mehrwert ist trotzdem darin, aber nur für die Mittelsmänner und —frauen. Für alle Anderen handelt es sich um einen Minuswert.
Es stellt sich die Aufgabe, ob man diese Entwicklung mittels einer anderen steuerlichen Behandlung bekämpfen könnte. Es stellt sich ferner die Frage, warum größere Firmen Mittelsleute überhaupt einschalten: Sind sie nicht besser imstande, Aufträge direkt zu vergeben bzw. ordentliche Arbeitsstellen zu schaffen, oder glauben sie, diese wären zu teuer und verwaltungsintensiv, oder geht es eher um eine Absicherung, um sich vor arbeitsrechtlichen Forderungen der Dienstleistenden zu schützen? Oder steckt Bestechung im Spiel?
Ein Eckpfeiler der Europäischen Union ist die Mehrwertsteuer. Vielleicht lässt sich diese merkwürdige Steuer aber als Lenkungsmittel instrumentalisieren. Damit ließe sie sich nach und nach sogar sozial rechtfertigen. Das könnte so aussehen:
II.
Die Mehrwertsteuer stellt unbestritten einen sehr klugen Mechanismus dar. Sie beruht u.a. auf dem Prinzip, dass die zwischengeschalteten Firmen und Freischaffenden die Steuer letztlich nicht bezahlen, nur verwalten. Mehrwertsteuer wird unter dem Strich ausschließlich von den Endkunden — also den Konsumenten — bezahlt. Es handelt sich für die Firmen um durchlaufende Kosten und — in Zahlen aber kaum fassbar — um Verwaltungskosten, die den kleinen Gewerbetreibenden am ärgerlichsten zur Last fallen. (Wir haben es ja mit der Schieflage der EU zu tun, die die Großen und den Hang zum Größenwahnsinn bevorzugt und die Bescheidenen benachteiligt.)
Die Mehrwertsteuer betrifft nicht nur die maschinelle Bearbeitung, die (so wird angenommen) zu einer handfesten Aufwertung eines Produktes führt, sondern auch alle Dienstleistungen, die sich nur oder hauptsächlich von Menschenhand ausführen lassen.
Man stelle sich nun vor, die weiterberechnete Mehrwertsteuer auf Arbeitsleistungen würde sich jeweils nur zur Hälfte als Vorsteuer absetzen lassen.
Damit würde man eine Bremse in der Kette der weiter gehandelten Dienstleistungen einbauen. Der indirekte Bezug von Dienstleistungen wäre verteuert und zwar je indirekter desto kostspieliger.
Dieser indirekte Bezug ist eben der Handel mit Arbeitsleistungen, ohne dass in vielen Fällen ein realer Mehrwert geschaffen wird: Eine Gewinnmarge wird dafür erzielt, dass die Aufgabenbewältigung organisiert wurde, diese bleibt aber als Gewinnmarge geheim, anstatt dass eine öffentlich bekannte feste Organisationspauschale erhoben wird.
Die Arbeit der eigentlichen Organisation ist in den meisten Fällen an und für sich minimal, dafür muss mühsam gehandelt werden. Gehandelt heißt praktisch, dass die Preise, die an die (schwach gestellten) Arbeitsleistenden zu bezahlen sind, gedrückt bzw. die Billigsten gesucht werden. Diese — die eigentlichen „Leistungsträger“ — sind vor diesem Hintergrund weniger bereit (d.h. willens und fähig), die Leistung im vollen Umfang zu erbringen. Die Organisation besteht ferner darin, dass die Leistung „verkauft“ werden muss, als ob die eigentliche Leistung nicht einfach gebraucht wird (und wer sucht, findet). Der „Verkauf“ wird u.a. dadurch erzielt, dass eine Miene der „Professionalität“ vermittelt wird, — neben allerlei Verheißungen und Zusicherungen, die man lieber nicht unter die Lupe nehmen sollte. Eine partnerschaftliche Beziehung — d.h. mit Rücksprache, Feedback und Langzeitwirkung — zwischen den arbeitsleistenden Personen und dem eigentlichen Leistungsempfänger wird unterbunden, obgleich die Agenturen sich gerne ausgerechnet des Wortes „Partner“ bedienen.
III.
Der Vorschlag, die Vorsteuer soll nur zur Hälfte erstattet werden, ist so einfach und naheliegend, dass seine Gegner (und es sind viele, die daran interessiert wären, die Idee so vehement wie sonst nur die Finanztransaktionssteuer zu bekämpfen) — dass diese Gegner — auf die Idee kommen könnten, ihn als simpel oder wirtschaftsschädigend zu bezeichnen. Manchen Geschäften soll sie freilich schaden, dafür aber für transparente Geschäftsmodelle sorgen.
Für echte Eigenständigkeit und Partnerschaft in der Arbeitswelt auch. Zwischengeschaltete Instanzen sorgen dafür, dass Verantwortung verdünnt oder auf das schwächste Glied abgewälzt wird. Ganz abgesehen von der Abwehr wirtschaftlicher Ausbeutung gibt es ethische Gründe dafür, lange Lieferketten bei Dienstleistungen steuerlich zu benachteiligen. (Die Situation bei der Produktherstellung mag anders sein oder auch nicht, ist aber hier nicht das Thema.)
Der Verwaltungsaufwand bei einem halben Vorsteuersatz dürfte kaum höher sein als jetzt. Es käme natürlich je nach Branche zu Folgeerscheinungen, die nicht ausdrücklich vorgesehen sind, aber tragbar wären. Die Folgeerscheinungen würden Preiserhöhungen in manchen Bereichen einschließen, dafür aber wären in anderen Bereichen Einsparungen zu verzeichnen. Die Steuereinnahmen würden zuerst ansteigen, aber nicht auf Kosten der Allgemeinheit, sondern zu Lasten der Mittelsleute. Später würde sich das Bild beruhigen.
Steuertechnisch würde man die Unterscheidung zwischen Dienstleistung und Produkt präzisieren müssen. Zur Herstellung eines komplizierten Produktes gehören viele Bearbeitungsschritte, die teilweise von konzernfremden Firmen ausgeführt werden. In einigen Situationen könnte sich die Frage stellen, ob es sich um einen Mehrwert im Sinne einer Dienstleistung oder aber einer Produktverarbeitung handelt. Prozentual aber dürften solche Abgrenzungskonflikte sich auf ein Minimum einpendeln. Und so heikel wären diese Fragestellungen auch nicht. Hier geht es um das große Bild.
IV.
Man könnte den Gedanken weiter spinnen und die Frage stellen, warum — im vorgeschlagenen Modell — nur die Hälfte der Vorsteuer abziehbar wäre. Der Hintersinn der Mehrwertsteuer besteht aber darin, dass — im Prinzip — jeder auf jeden aufpasst. Ich passe — mehrwertsteuermäßig — auf Dein Treiben auf, weil ich sonst finanziell benachteiligt werde, und andere passen auf mich auf. Aber dafür muss nicht die ganze Vorsteuer erstattet werden, es würde auch die Hälfte reichen.
Sich schleichen aus der Eurokrise — Feministisch gedacht
I.
Das großformatige Denken der Politiker hat sich nicht zum ersten Mal übernommen, und ihre Hybris uns eine Krise beschert, wenngleich diesmal nicht so toll wie damals beim Turmbau zu Babel. Hüten müssen wir uns jetzt noch vor ihren Lösungen. Es handelt sich hier nicht um eine Umweltkrise, eine Hungersnot oder — noch nicht — den Zusammenbruch der zivilen Ordnung. Es geht um das Geld, den Kredit und den Geldumlauf. Es geht um das Missverhältnis zwischen Steuereinnahmen und Staatsausgaben. Es geht ferner, versteckt oder verschwiegen, so der Ausgangspunkt dieser Überlegungen, um ein Missverständnis über das Geld und sein Verhältnis zum täglichen Wirtschaften. Es geht also nicht nur um mehr oder weniger Geld, so wenig wie es bei der sprachlichen Kommunikation nur um die Anzahl der Wörter geht, sondern um ein Fundament des Umgangs, Handelns und Handels miteinander.
Wir stehen vor zwei Problemkreisen. Die Banken Nordeuropas haben leichtfertig die Schulden von Ländern am Rande der Eurozone finanziert und müssen nun mit Forderungsausfällen rechnen. Die Länder an der Peripherie fürchten, keine Kredite mehr zu erhalten, oder wenn schon, dann nur sehr teure. Soweit knapp das große grobe Finanzbild.
Am anderen Ende des Geschehens — an der Peripherie Europas — ist das tägliche Wirtschaften ins Stocken geraten. Die Menschen sind arbeitslos, oder sie arbeiten fast umsonst, und die Versorgung mit dem Allernötigsten ist gefährdet.
Richten wir den Blick auf dieses tägliche Wirtschaften im Kleinen und schauen wir, wie das gesellschaftliche Gefüge aufrecht erhalten und eine bescheidene Lebensqualität auch in Zeiten der materiellen Not wieder erlangt werden kann. Es gilt, den meisten Menschen in den gefährdeten Ländern die Mittel in die Hand zu geben, mit denen sie sich gegenseitig besser helfen können; das heißt, mit denen sie Kleinhandel miteinander treiben können, möglichst weitab der Kapitalmärkte.
Ähnlich wie eine Münze zwei Seiten hat, kommt dem Geld eine Doppelrolle zu, einmal als Tauschmittel, einmal als Wertspeicherung. Bei der Wertspeicherung handelt es sich um ein besonders taugliches Langzeitversprechen, das politisch und gesellschaftlich abgesegnet ist. Beim Tauschmittel handelt es sich um ein Werkzeug, anhand dessen über viele Ecken hinweg, auch unter Menschen, die sich nicht gegenseitig kennen, Handel getrieben wird.
Der folgende Vorschlag sieht eine Parallelwährung vor, die die Rolle der Wertspeicherung so weit wie möglich unterdrückt. Diese muss nicht auf Dauer eingerichtet sein. Wenn die Zeiten sich ändern und die Hauptwährung ihre Geltung voll zurückerlangt, kann die Parallelwährung entfallen. Wenn sie sich aber gesellschaftlich als nützlich erweist, denkbar, weil sie der Reduzierung aller Wertschätzungen auf Geldbeträge entgegenwirkt oder die Selbständigkeit und das Selbstbewusstsein der vielen stärkt, so könnte sie auch lange währen. Der Vorschlag ist nicht geeignet, alle aktuell besprochenen Probleme zu lösen; er kann aber die schlimmsten Folgeerscheinungen stark abschwächen und nebenbei ein Umdenken einleiten, damit bei einer Rückkehr zu einer einzigen Währung diese behutsamer gepflegt wird.
Die Unterdrückung der Funktion der Wertspeicherung ist nicht einfach und kann nicht vollständig gelingen. Sie ist trotzdem beschränkt erreichbar, und das dürfte reichen. Sie muss aber überlegt vonstatten gehen, und die Überlegung sieht folgendermaßen aus.
II.
Es wird landläufig zwischen Produkten und Dienstleistungen unterschieden. Zwar wurde diese Unterscheidung kaum gemacht, als halbkluge Köpfe damit begonnen haben, die zwei
Bereiche ins jeweilige Gegenteil umzubenennen. Aus Produkten wurden „Dienstleistungen“, und Dienstleistungen wurden zu „Produkten“. Zum Beispiel sprechen Dienstleistungskonzerne (Telekommunikation, Banken) gerne von ihren „Produkten“, obwohl sie kaum welche haben dürften, und man mag sich fragen, wenn bereits die Benennungen verdächtig anmuten, wie es denn dort in Wirklichkeit zugeht.
Nicht desto weniger leisten bodenständige Bürger Widerstand, und sprachlich sowie auch konzeptuell wird weiterhin zwischen Produkten und Dienstleistungen unterschieden.
Präzisieren wir ein Stück weiter, und sprechen wir von ortsnahen Dienstleistungen, also solchen, die vornehmlich von Menschen für Menschen erbracht werden. Wir klammern die Internet-Dienstleistungen aus, sowie auch die Versorgung mit Strom, und ebenfalls alle Transportleistungen, und — hier wird es gewagter — sogar die zahllosen, aber nicht immer zahlenden — Vermittlungsdienste.
Es lassen sich selten Dienstleistungen erbringen, ohne dass dabei im geringen Umfang Produkte mit einfließen. Von Dienstleistungen dürfen wir trotzdem sprechen, soweit die Einarbeitung von Produkten weitgehend von Menschenhand geschieht.
Was könnte damit noch alles von Dienstleistungen in diesem Sinne konkret abgedeckt werden? Kleinere Reparaturen, um einen Neukauf zu erübrigen, Gartenarbeiten, Computereinrichtung, Schönheitssalon, Pflege aller Couleurs, Therapie, Formulare ausfüllen, Schneiderarbeiten, auf Kinder aufpassen, Einkäufe (zum Beispiel für Behinderte) tätigen, unabhängige Beratung vor dem Kauf wichtiger Artikel, informeller Unterricht, Nachbarschaftstreffpunkte (Cafés & Teestuben), Kauf/Verkauf von Gebrauchtgegenständen, Kleinkonzerte, Blumenbinden. Und was soll eher nicht abgedeckt werden? Die meisten Transaktionen, die zur richtig organisierten Wirtschaft gehören.
Da der Parallelwährung (Drachme, Escudos, Florint, Franken, Lira, Mark, Peseten …) keine Funktion der Wertspeicherung zukommen soll, ist sie von dem Banken— und Finanzsystem weitestgehend ausgeschlossen. Man erhält Bargeld, und Bargeld gibt man aus. Überweisungen, Sparkonten und dergleichen finden nicht statt, wie auch früher übrigens. Alle Transaktionen werden sofort bezahlt. Man hat ferner seine Parallelwährung im Prinzip relativ schnell (als Anhaltspunkt: binnen weniger Monate) auszugeben. Zum Konzept gehört die erhöhte Umlaufgeschwindigkeit des Parallelgeldes. Nach der Einführungszeit bleibt die Geldmenge konstant.
(Zwischenbemerkung: In Griechenland zumindest sollen die Menschen sich geholfen haben, indem Wochenmärkte entstanden sind, wo zum Tagesschluss die Abrechnung des Kleinhandels unter sich elektronisch erfolgt. Damit zeigen die normalen Menschen vorbildlich und nochmal, dass sie im Rahmen ihrer begrenzten Möglichkeiten vernünftiger, sozialer und fortschrittlicher sind, als alle „Finanzexperten“ zusammengezählt.)
Bei einer Hauptwährung findet im Gegenteil meist eine Zunahme der Geldmenge statt, mitunter weil der Gesamtreichtum der Gesellschaft in Friedenszeiten steigt beziehungsweise immer mehr Besitz (Grundeigentum, Erbgüter) dem Handel und somit der Geldwirtschaft zur Verfügung steht oder stehen soll. Demgegenüber bildet die Parallelwährung menschennahe Dienstleistungen ab, deren Ergebnisse meistens schnell verflossen oder sonst schlecht messbar sind: Die Frisur vom Vorjahr ist nicht mehr zu erkennen, sie bildet keinen bleibenden „Wert“ (aber wertvoll war sie doch!). (Hier könnte man Geschichten spinnen oder weitererzählen, von denen die Männer in grauen Anzügen nichts ahnen und nichts ahnen wollen.)
Die Parallelwährung dient ja dazu, den Austausch im Kleinen zu vereinfachen oder erst zu er möglichen. Überall helfen sich die Menschen, die in Geldnot leben müssen, gegenseitig, diese Hilfe ist aber auf einen vertrauten und damit sehr kleinen Kreis beschränkt. Es existiert zudem keine Messlatte, um die kleinen Gefälligkeiten mit den größeren Gefälligkeiten einvernehmlich und übersichtlich verrechnen zu können.
Ganz einfach wird es leider nicht. Bei den meisten Transaktionen spielen doch Produkte oder Treibmittel oder Zutaten mit, die von der Produktivwirtschaft stammen. Bereits der Kaffee wird eingeführt und anschließend verarbeitet, die Kaffeemaschine kommt aus einer Fabrik und muss eines Tages erneuert werden, der Strom zum Heizen erreicht uns über einen industriellen Umweg: das muss alles weiterhin in der Hauptwährung bezahlt werden. Der Kleinhandel, der mit der Parallelwährung gefördert werden soll, kann nicht den produktiven Wirtschaftshandel ersetzen. Somit müsste man gegebenenfalls zwei Beträge entrichten, einmal in Euro, einmal in Parallelwährung. Den geringen Eurobetrag würde man von dem kleinen Gehalt aufbringen und den anderen Teil hinzu verdienen können. Das mag umständlich anmuten, zumal man es nicht oder nicht mehr (man denke an die halbschwarze Rolle der harten Währungen zur Zeit des Ostblocks) gewohnt ist. Es handelt sich aber um eine Unbequemlichkeit, die um ein Vielfaches leichter zu tragen wäre, als sich tatsächlich nichts — nicht einmal die Früchte des Kleinhandels oder die bescheidenen Freuden des Alltags — leisten zu können.
III.
Mit diesen Gedanken hat sich der Kreis noch lange nicht geschlossen. Ein Geldkreis braucht weite Horizonte und Glaubwürdigkeit, und dies gilt weiterhin, auch wenn dem betreffenden Geld keine Funktion der mittelfristigen Wertspeicherung zukommen soll. Das Parallelgeld muss in Umlauf kommen, und am besten wird es von einer übermächtigen Instanz (zum Beispiel einem Staat) anerkannt.
Wie bahnt sich das an? Es ist anders als bei bisherigen Währungsreformen: man denke an die Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1948 und 1990, bei denen Altgeld auf Sperrkonten eingezahlt und neues an jeden ausgegeben wurde, mit Umschreibung der Geschäftsbücher und der späteren Ausgabe des umgewandelten Altgeldes von den Sperrkonten, eventuell zu gestaffelten Umrechnungskursen.
Bei der Parallelwährung hätten wir es dagegen mit Neuland zu tun. Es könnte so aussehen: Der Staat hat bereits die Gehälter des (überbesetzten) Staatsapparates gekürzt oder will dies (unter dem Druck der Kreditgeber) weiterhin tun. Als Trost für die Kürzung gibt er den Beamten und staatlich Bediensteten Parallelgeld in der Form von Banknoten und Münzen. (Zugegeben: altmodisch, aber diese Geldform genießt die beschränkte Glaubwürdigkeit der Tradition; elektronisch scheint für viele Menschen alles weniger sicher, auch wenn dies teilweise eine Sache der Generationen ist. Vor allem aber ist das Zielpublikum — die große Öffentlichkeit — nicht unbedingt imstande, elektronisches Geld zu verarbeiten. Im Übrigen sollte der allzuleichte Zugriff des Staates auf Daten über private Transaktionen verhindert werden.)
Damit das Parallelgeld nicht ein gespenstisches Halbleben (wie Kryptowährungen wie beispielsweise Bitcoin) erfährt, soll es doch wieder einmal zum Staat zurückfinden können. Aber nicht gleich, denn das würde einem Kurzschluss gleichkommen. Der Vorschlag sieht folgendermaßen aus. Erst nach einer Sperrfrist würde die Möglichkeit bestehen, dieses Geld beschränkt für bestimmte steuerliche Abgaben verwenden zu dürfen. Es bietet sich an, hierfür die Grundsteuer vorzusehen. Die Grundsteuer bezieht sich nämlich auf eine kommunale Angelegenheit und stellt, je nach der Handhabung im Lande, meistens eine Umlage für ortsnahe arbeitsintensive Dienstleistungen dar.
Hier wäre die einzige Stelle, an der eine offizielle Umrechnung stattfinden könnte, denn man müsste die Grundsteuer auch in Euro bezahlen dürfen. Man kündigt den offiziellen Umrechnungssatz allerdings nicht weit im Voraus an. Erfahrungsgemäß finden sich immer welche, die spekulieren wollen, und ganz vermeiden lässt sich dieses Phänomen nirgends. Das dürfte aber kaum zum Problem werden, denn der Staat sitzt am längeren Hebel.
Den Anhängern der Mehrwertsteuer und sonstigen Steuerbegeisterten dürfte es nicht entgangen sein, dass die Parallelwährung (mit Ausnahme der erwähnten Grundsteuer) die Steuer außer Acht lässt. Es handelt sich um keinen Flüchtigkeitsfehler. Ein Grundvergehen des EU-Projektes steckte von Beginn an in dem Wunsch, die wirtschaftlichen Vorgänge bis ins kleinste beaufsichtigen und besteuern zu wollen. Der Versuch war so raffiniert wie sonst nur die Franzosen, die diese Teufelssteuer erfunden haben. Totalitär ist sie zwar noch nicht, aber die unterschwellige Richtung ist vorgegeben, und zwischenzeitlich leiden millionenfach die Kleinunternehmer und Freiberufler mit Frust und Zeitverlust unter dem bürokratischen Frondienst der monatlichen Meldungen. Für Menschen, die Zahlen und Formulare sowie Software und das Zählen lieben, ist das alles kein Problem. Warum stört es uns Andere so sehr, monatlich Buch führen zu müssen, Steuern muss ja doch jeder bezahlen, oder? Und so sehen wir, was für ein Europa im Entstehen ist, bei dem ein automatisierter Menschenschlag bevorzugt wird, während selbstbestimmte Charaktere systematisch benachteiligt werden, so sehr sie sich sonst durch Fleiß und Tüchtigkeit auszeichnen mögen.
IV.
Die Geldmenge für die Parallelwährung wird begrenzt. Damit wäre ebenfalls die Summe der Zahlungen, die in dieser Währung für die Grundsteuer abgeführt werden könnten, begrenzt. Der Konjunktiv steht hier, weil damit noch nichts über das Tempo des Umlaufs gesagt wurde. Der Sinn der Parallelwährung liegt darin, dass das Geld konstant im Umlauf ist: bald nachdem man etwas verdient hat, soll man es wieder ausgeben, wenn auch nur für einen kleinen Luxus. Somit ist für Beschäftigung gesorgt, und diese Beschäftigung dürfte normalerweise menschlich sein: individuell, maßgeschneidert, selbstbestimmt, partnerschaftlich, der Lebensfreude dienlich. Eine Abzweigung des Geldes an Vorgesetzte, Agenten oder Arbeitgeber ist ebenso wenig vorgesehen wie eine unmittelbare Abzweigung an den Staat. Es handelt sich um das Volksgeld und somit das Geld für jedermann. So gut wie jeder, der bei Gesundheit ist, kann und soll etwas verdienen können, und somit schwächt sich auch die Nötigung zum Gang zum Sozialamt ab.
Die Firmen werden mitmischen wollen. Sie wollen aber auch Haftungsbegrenzung behalten und die Mitarbeiter fremdbestimmen. Die Firmen, die ja Wert auf Verträge aller Gattungen und deren Einhaltung über den Staatsapparat legen, sind hier aber nicht gefragt. Dafür haben sie den Euro, und diese Währung bietet viele Vorteile, nicht zuletzt die soeben genannten. Bei der Parallelwährung herrscht im Gegenteil ein anderes, älteres Recht. Man bezahlt sofort, man sieht, was man bekommen hat, und im Zweifelsfall entscheidet der ortsnahe Ruf. Wem das nicht gefällt, muss sich der Eurowährung anvertrauen. Mit Euro kann man nach wie vor überall den ausgewiesenen Preis voll bezahlen. (Hier findet also eine inoffizielle Umrechnung statt: zum Beispiel kostet die Dienstleistung zehn Euro und zwölf Einheiten Parallelwährung, oder alternativ soundsoviel glatte Euro.)
V.
Die Belange, die sich mit der Parallelwährung billig (mit dem Euro meist teurer) befriedigen lassen, betreffen besonders stark die Lebensführung von Frauen, wie diese traditionell vonstatten geht. Allerdings auch die Lebenslage der Männer in ihren schwachen Jahren und Zeiten. Es handelt sich um eine Zuwendung zu dem, was menschlich am nächsten liegt, um die kleinen unmittelbaren Anforderungen, um die Ästhetik, und nicht zuletzt um einen Korb für das Kapital.
Die Parallelwährung ist keine Produktivwährung, sie ist nicht auf maschinelle Bearbeitung und Organisation und Effizienz ausgerichtet, sondern sozial auf Ausgleich. Sie ist praktisch. Sie ist lebensnah. Sie befreit von dem Kalkül um eine fernere Zukunft. Sie pflegt die Freude und den Trost des Augenblicks. Sie lehnt es ab, sich einbinden zu lassen oder auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.
Es waren im Übrigen fast ausschließlich Männer, die das törichte Europrojekt forciert haben. Sie haben von Anfang an die gravierenden strukturellen Fehler bewusst verschwiegen, die inzwischen allseits bekannt sind und vor denen einsame Stimmen damals alarmiert gewarnt haben. Dass die Herrschaften sich dabei etwas überlegt haben, wird hier nicht in Abrede gestellt. Sie wollten die strukturellen Fehler von gestern vermeiden, darunter auch die Frage lösen, wie in Europa eine zentrale Macht mit der Peripherie friedlich zurecht kommt. Sie haben den großen Handel zwischen den Ländern bevorzugt und den kleinen Austausch unter den Menschen gering geschätzt. Sie haben die Liebhaber von großen Geschäften, die Mittelsmänner und sonstige Macher gefördert und die Sorgen der kleinen Betriebe, bei denen doch die Frauen oft mit in der Führung sitzen, wenig beachtet. Sie loben die Produktivität, merken aber nicht so richtig, dass bei Dienstleistungen diese anders zu messen, zu werten und zu besteuern ist als bei der Herstellung von Produkten. Sie loben den Handel über die großen Entfernungen hinweg als vorrangiges Ziel und halten dementsprechend die Transportkosten niedrig und die Umweltbelastung hoch. Jetzt wollen sie im Rahmen einer „Fiskalunion“ die Steuern noch weiter harmonisieren — heißt das nicht auf Deutsch eher: gleichschalten? — und verkennen dabei, dass eben diese Steuergestaltung am wenigsten geeignet ist.
VI.
Offensichtlich könnte die Einführung einer Parallelwährung als erster Schritt weg vom Euro gesehen werden. Das muss sie nicht sein, denn sie könnte ebenso gut als Übergangslösung bis hin zur Wiederherstellung der sozialen Stabilität gelten. Sollte der Euro sich retten — etwa dadurch, dass zurückgefunden wird zu ausgeglichenen Handelsflüssen innerhalb der Eurozone — so könnte die Parallelwährung nach einigen Jahren aufgelöst werden, nämlich dann, wenn sie einvernehmlich nicht mehr gebraucht wird. Sie hätte damit zu einer wesentlichen Korrektur beigetragen, ähnlich wie das Auftauchen eines Konkurrenten die Hauptanbieter anspornen kann, ihr Geschäftsmodell zu überdenken, obwohl später der Konkurrent verschwindet.
Nichtsdestoweniger könnte die Parallelwährung umgekehrt aber den ersten Schritt weg vom Euro bedeuten. Sie ermöglicht es, einen ordentlichen — also geregelten, sanften — Ausweg zu beschreiten. Die Mittelklasse in der Peripherie Europas müsste nicht um ihre Ersparnisse in Euro bangen, nämlich, dass diese bei einer Währungsreform über Nacht entwertet werden.
Abgesehen von ihrem vorrangigen Nutzen, den freien Dienstleistungshandel vor Ort weitab von der Bevormundung der Einheitswährung zu erleichtern, dient die Parallelwährung überhaupt dazu, andere Richtungen, Denkweisen und Prioritäten zu setzen. So sollte sie nicht als Zahlungsmittel für abhängige Arbeitsplätze benutzt werden. Der private Arbeitgeber müsste den Mindestlohn weiterhin in Euro bezahlen. Die Arbeitnehmer dürften aber in der Parallelwährung hinzuverdienen, soweit sie bei menschennahen Dienstleistungen engagiert sind, und dieser Zuverdienst (auch die Zahlungspflicht der Kunden) wäre durch öffentliche Preisaushänge gekennzeichnet. (Die Unsitte mit dem Trinkgeld kann damit wegfallen.) Die Friseuse hat Geld, im Restaurant zu speisen, und der Kellner kann sich eine gute Frisur leisten. Der unabhängige Gang zum Therapeuten wird nicht mehr unter sträfliche Steuern gestellt, sondern jedem freigestellt, der bei anderen Mitbürgern eine persönliche Gegenleistung erbringen kann. (Die Beispiele sind hier zur Veranschaulichung recht einfach und alltäglich, das Konzept betrifft aber zahllose Situationen und lange Ketten an Dienstleistungen.) Somit wird das Verhältnis Arbeitgeber — Arbeitnehmer aufgelockert. Die Arbeitnehmer sind unabhängiger, es entsteht mehr Transparenz um die Verdienste, und somit kann die Knechtschaft besser bekämpft werden, die trotz aller Arbeitsgesetze regelmäßig situationsbedingt entsteht.
VII.
Es war dies eine Anregung und ein Wegweiser. Trotzdem: Nicht nur hat das Konzept Bodenhaftung, nicht nur ist es gesamtwirtschaftlich durchdachter als alle vom Gesetz zugelassenen Derivate, die zuletzt ohne Mehrwert (im Nullsummenspiel) unter dem Strich die Risiken der Wenigen auf die Schultern der Vielen abgewälzt haben. Im Gegensatz zu diesen ist das Konzept sozial und auf gesellschaftlichen Zusammenhalt ausgerichtet.
Das Konzept ist für heute: Die Euro-Opfer der Peripherie haben keine Zeit, auf den Abschluss vieler Doktorarbeiten über dieses Problem zu warten. Wir ahnen selten die Langzeitfolgen einer Veränderung, aber ebensowenig die Folgen eines Beharrens; der Weg musste schon immer anhand neuer Erfahrungen ständig überprüft und an neue Einsichten angepasst werden. Das heißt: So oder so beschreiten wir Neuland. Und ganz so radikal ist das Konzept dann doch nicht. Es kann nicht einmal behauptet werden, es würde zu einem Wegfall von Steuereinnahmen führen (etwa durch die faktische Aufhebung der Mehrwertsteuer für viele Dienstleistungen), denn diese Steuer wird gerade in der Peripherie ohnehin häufig umgangen. Ein Aufblühen des ortsnahen individuellen Handels schadet der Hoheit der EU-Finanzverwaltung nicht, es sei denn, dass diese es vorrangig nicht auf Einnahmen sondern unterschwellig auf Machtausübung abgesehen hat.
Wie finanziert sich ohne Werbung?
Was wir alles dank der Werbung nicht bezahlen müssen — von der Suchmaschine bis hin zur Tageszeitung im Netz — das steht auf keinem Blatt. Und alles, was wir noch bezahlen dürfen, zum Beispiel Radio, Fernsehen und Zeitschriften, wäre teurer, wenn nicht die Subvention durch die Werbeplazierung der Privatindustrie wäre; geschweige denn die Kulturveranstaltungen, die gesponsert werden.
Wir bezahlen sie doch und nicht nur in bar — über zwei Prozent wird auf die Endpreise aufgeschlagen, um die Werbeausgaben zu finanzieren. Als Subventionsmittel ist die Werbung wohl ineffizient: dieser Umweg ließe sich aber noch rechtfertigen, denn eine Zeitlang lief sie schließlich halbwegs gut. Vor allem: Man mag nicht daran rütteln, wenn man sich etwa die freie Presse vorführt, die — so wird gemunkelt — ohne Werbeeinnahmen kein Auskommen hätte.
Diese Welt ändert sich aber nicht nur, sie kriselt. Die Werbung wechselt zum Internet und dessen Suchmaschinen und zu den sozialen Netzwerken. Eigentlich weiß jeder, der sich aufgeweckt Gedanken macht, dass wir früher oder später die kritische Berichterstattung wie auch die Kultur und einiges mehr werden bezahlen müssen. Nur so bleiben diese auf Dauer erhalten und sauber, nur so deren Handhabe bei uns, dem interessierten Publikum.
Bei den Werbebotschaften handelt es sich um die Verbreitung von Ideen, Reizen, Empfehlungen. Eigentlich ließen sich die Ideen und Empfehlungen, wenn nicht die Reize, unter den Menschen auf natürliche Weise verbreiten, und jetzt erst recht, wo die sozialen Netzwerke sich stark machen. Man müsste sich in einer Marktwirtschaft und bei dem unverfälschten Austausch unter Normalbürgern bei einem guten Produkt oder einer nützlichen Dienstleistung darauf verlassen können, dass sich die Botschaft von allein trägt.
Dem ist nicht so. Daran ist wohl einiges schuld, nicht zuletzt die Unmündigkeit vieler Bürger oder — eher — Konsumenten. Dabei schwingt mit die Schwierigkeit, die jeder besten Willens hat, Bürger und mündig zu sein.
Die bezahlte Werbung kommt einer Marktunterwanderung gleich. Die Kommunikationswege werden vernebelt. Eine ausgewogene Informationsvermittlung ist ausgeschlossen. Dafür erleiden wir eine Dauerbelastung durch Werbung, die den Kopf für Wichtigeres unfrei hält.
Es kommt demnächst womöglich schlimmer. Die Suchmaschinen lassen sich verfälschen. Als Unternehmer kann man zahlen und dafür bewerkstelligen, dass seine Botschaft in der Rangliste klammheimlich höher klettert. Wenn jeder sich zunächst an die größte Suchmaschine wendet, so wird fast zwangsweise — so hat es die gewinnorientierte Logik — diese die Plazierungspreise erhöhen. Darauf hin kommt es unter denjenigen, die ihrer Stimme Gehör verschaffen wollen oder müssen, zu einem Wettrüsten, das schließlich fast allen schadet. Die Ranglisten sorgen für eine Konzentration der Aufmerksamkeit, die auf eine Monokultur hinausläuft. Die seltenen Pflanzen werden seltener, die leisen Stimmen bleiben unter sich. Somit fehlen allmählich die Vitamine, die Spurenelemente, die Vielfalt und die Buntheit, die die Kultur — auch die politische Kultur — schließlich ausmachen, es sei denn: Wir bestehen darauf, zu bezahlen.
Wir könnten zum Beispiel für die Suchmaschinen zahlen, ähnlich wie wir bereits den Internetzugang bezahlen. Man meldet sich an für die Suchmaschinen, die man bevorzugt. Die individuelle Bevorzugung hängt von der Art des Nutzens ab oder auch vom Geschmack. Dafür darf es dort keine Werbung geben und auch keine Bezahlung für eine künstliche Besserstellung in den Ranglisten. Wir hätten bald wieder — wie zu Beginn des Suchmaschinenzeitalters — viele — und vor allem unterschiedliche — Suchmaschinen.
Lieber sollten wir zu Mittag in der Kantine kommunistisch kostenfrei essen gehen dürfen, als dass wir unsere Informationsquellen — ob Suchmaschine oder Tageszeitung — nicht bezahlen: „There is no such thing as a free lunch“.
Grundeinkommen Kultur:
Die persönliche Kulturkarte für Jedermann
I.
Nicht nur in Deutschland entsteht eine Debatte über die werbefreie Finanzierung vom öffentlich-rechtlichen Radiound Fernsehangebot im Zeitalter des Internets. Es gibt Lösungsmöglichkeiten, die bisher weder hierzulande noch sonst erörtert wurden. Mit diesen könnte man nicht nur einen Mittelweg erreichen, um einigermaßen einvernehmlich werbefreie und wünschenswerte Medien zu finanzieren, sondern auch die Finanzierung von kulturellen Veranstaltungen und dergleichen marktgerecht absichern.
Die bisherige Lösung bestand darin, dass jeder Haushalt mit einem entsprechenden Gerät eine regelmäßige Abgabe für den Empfang leisten musste und zwar unabhängig davon, ob die entsprechenden Sendungen tatsächlich wahrgenommen wurden. Da inzwischen die Sendungen auch im Internet angeboten werden und es unterstellt wird, obwohl kaum nachprüfbar, dass jeder Haushalt einen internetfähigen Computer wenn doch eventuell kein Fernsehgerät oder gar Radio besitzt, so wird die Abgabe flächendeckend eingefordert. Die Zwangsabgabe ist aber keine geringfügige, wobei ein Großteil der Einnahmen letztlich für eine besondere Unterhaltungsform ausgegeben wird, nämlich Videoaufzeichnungen, die wirklich nicht universell angenommen wird. Hinzu kommt, dass bisher die zahlenden Personen nicht einmal die Möglichkeit hatten, eine formelle Präferenz innerhalb des Angebots wirkungsvoll zu melden. So konnte man nicht bestimmen, dass sein Geld zum Beispiel für das Radioprogramm ausgegeben wird, da man nicht fernsieht; oder dass es an die Kultursender und nicht etwa an Sportprogramme geht. (Da dies leicht zu bewerkstelligen wäre, muss man davon ausgehen, dass es von den Machtinhabern nicht gewollt ist. Damit zeigen diese auch im Kleinen ihre Ablehnung von demokratischen Prinzipien.)
Es gibt weitere Bereiche, in denen die Finanzierung von Leistungen, die einen halbwegs universellen Anspruch besitzen, problematisch ist, und zwar insbesondere bei der individuellen Kultur. Im Zeitalter der Reproduzierbarkeit kann zum Beispiel jeder fast grenzenlos Musik billig hören, vorausgesetzt, sein Geschmack wird millionenfach geteilt und er möchte keine Konzerte besuchen, insbesondere keine Kleinkonzerte. Ähnliches gilt fürs Theater, für den Museumsbesuch und so weiter. Der Staat oder die Gemeinde versucht halbherzig und bürokratisch von oben herab für Korrektur oder Abhilfe zu sorgen, denn der Wert dieser Randkultur wird nach außen hin anerkannt. Mit einer anderen Hand aber erschwert der Staat deren Überleben, indem zum Beispiel Mehrwertsteuer oder andere Abgaben erhoben werden oder sonst bürokratische Kleinarbeit aufgezwungen wird.
II.
Man stelle sich jetzt Folgendes vor. Jeder Haushalt erhält (oder erhält gratis angeboten) eine mit PIN ausgestattete Kulturkarte, anhand derer der Besuch von Kulturveranstaltungen, Museen, Kunstgalerien und dergleichen bezahlt werden kann. Das wäre das Grundeinkommen Kultur. Nach fünfzehn Monaten verfällt die Karte und es wird eine neue angeboten.
Man könnte sich nun mehrere Szenarien vorstellen, und diese könnten sich im Laufe der Zeit abwechseln.
Diejenigen, die sich jetzt gleich um die Haushaltskosten (hier des Staates!) Sorgen machen, könnte man zunächst mit der Vorstellung besänftigen, dass jeder Haushalt bereits prächtig für die rechtlich-öffentlichen Sender nutzungsunabhängig zahlt. Dann stellt die Ausgabe der Kulturkarte zunächst einen Ausgleich für diejenigen zahlenden Bürger dar, die nicht fernsehen, dafür aber ihre Kultur live erleben wollen. Das würde zwar nicht alle Betroffenen beruhigen, wäre aber der Anfang eines Wandels, an dessen Ende ein Konsens erreichbar wäre.
Mit dem Ausbau dieses Konzeptes könnte man über kurz oder lang die staatliche Förderung von Kulturveranstaltungen, Museen und so weiter zurückfahren oder ganz beenden, denn die Eintrittspreise ließen sich merklich erhöhen, ohne dass die Besucher abgeschreckt werden. Sein Grundeinkommen Kultur würde man schließlich nur für den Besuch von kulturellen Veranstaltungen ausgeben können (also nicht für Aufnahmen, Medienträger oder Bücher)
Man könnte weiter eine Unterscheidung zwischen Kultur und Unterhaltung dergestalt machen, dass dort, wo kommerziell gesponsert wird, die Karte nicht zugelassen wäre.
Vorstellbar wäre weiter, das Schema zunächst in einigen wenigen Städten durch einen Probelauf zu testen.
Auch wenn ein Handel entstehen würde (denn man könnte seine Karte samt PIN gegen Bargeld weitergeben), so würde dies sich in Grenzen halten und den Zweck letztlich nicht unterwandern.
Denn der Zweck ist vielfältig. Zunächst geht es um einen Ausgleich dafür, dass Menschen, die das öffentlich-rechtliche Medienangebot nicht oder wenig nutzen, dieses doch voll bezahlen müssen. Dem Bürger müsste es freigestellt werden, ob er seine Kulturoder Unterhaltungsbedürfnisse von Maschinen oder lieber direkt von Menschen erfüllt bekommen will.
Zum zweiten geht es darum, dass der Obrigkeit und der Bürokratie in der Kultur ein Riegel vorgeschoben wird, indem marktgerechte und demokratische Prinzipien eingeführt werden. Weder Beamte noch Politiker dürften sich anmaßen, mit ihren Entscheidungen und zeitweise mit Willkür den Bürgern ihren Kulturkonsum praktisch vorzuschreiben. Dies gilt ebenfalls für kommerzielle Sponsoren.
Zum dritten geht es darum, dass die Mittel für die menschennahe Kultur gesichert werden. Dazu gehört der Gedanke, dass vollkommen andere Steuerund Steuerungsprinzipien gelten müssen, je nachdem, ob es sich um (maschinell reproduzierte) Massenunterhaltung oder aber um einzelne Kulturleistungen handelt. Zurzeit wird die menschennahe Kultur mit System steuerlich benachteiligt, und Maschinen werden bevorzugt. Dabei ist es nicht nur die menschennahe Kultur, die zu kurz kommt: beim Besuch eines Konzerts, eines Museums oder einer Ausstellung können gleichgesinnte Menschen sich auf natürliche Art und Weise kennenlernen, ganz anders als bei seltsamen und seltenen Begegnungen in der virtuellen Welt. Damit wird ein Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und der psychologischen Gesundheit geleistet.
Vermögenssteuer mit Rückerstattung
In den letzten Jahrzehnten hat eine Verschiebung zugunsten der Superreichen stattgefunden. Es gibt zwei Fragen, die man einem sehr reichen Menschen, oder seiner Familie, gerechterweise stellen kann: (i) Wo kommt Ihr Reichtum her? (ii) Wie setzen Sie diesen Überfluss ein?
Eine derartige Konzentration an Vermögen kommt nicht zuletzt aufgrund von Demokratiedefiziten und fehlender Marktaufsicht zustande. Im Nachhinein lässt sie sich paradoxerweise eben dadurch ein wenig rechtfertigen. So können vermögende Menschen in mehreren Hinsichten ein wesent- liches Gegengewicht zu den Ausartungen des Staates und seinen Bürokraten stellen. Das setzt die entsprechenden Eigentumsrechte voraus, dass nämlich der Reichtum nicht willkürlich von staatlichen Instanzen weggenommen werden kann, wie dies zum Beispiel erneut in Russland geschehen ist. Voraussetzung für die Duldung des Reichtums ist die Beachtung des Grundsatzes, dass Reichtum verpflichtet. Eine Mitverantwortung für die übertriebene Anhäufung von Reichtum tragen im Übrigen nicht zuletzt die vielen gut situierten aber nicht übermäßig reichen Bürger, die sich nur um das eigene Wohl kümmern und die Anfänge einer Schieflage widerspruchslos hinnehmen. Auch Wohlstand müsste verpflichten.
Es fand schon immer fast universell eine Konzentration des Reichtums statt, die das Maß übertraf. So meinte der italienische Volkswirt Pareto festzustellen, dass über Jahrhunderte hinweg zwanzig Prozent der Bevölkerung immer achtzig Prozent des Reichtums besitzen würden.
Der Einkommensteuer sowie etlichen anderen Steuerarten gelingt es bekanntlich bei den sehr Reichen nicht annähernd, zufriedenstellend für Korrektur zu sorgen. Dafür greifen diese Steuerarten ungebührend in die Lebensführung von eher bescheidenen Menschen ein, ohne insgesamt maßvoll für gerechte Umverteilung zu sorgen. Es gibt viele fleißige und talentierte Menschen, die aufgrund der Art ihrer Leistungen nur wenige Jahre gut verdienen können. Sie werden mitunter durch die künstlichen (das heißt, jährlichen) Abrechnungs- perioden bestraft. Wenn sie sich mit Steuervermeidungs- strategien wehren, dann zu Recht. (Diejenigen, die sich nicht mit Formularen beschäftigen wollen und somit nicht wehren, geraten ins Hintertreffen, so tüchtig sie sonst sein mögen. Denn das menschliche Vorbild unserer postmodernen Zeit — und nicht zuletzt der Europäischen Union — ist der perfektionierte Bürokrat.)
Die Rechnungslegung basiert auf zu vielen zweifelhaften Annahmen; jedes Steuerrecht ist auch beim besten Willen zu sehr anfällig für Manipulationen oder Ungereimtheiten, als dass die Rechnunglegung allein den Ausschlag haben dürfte, wenn es um größere Summen geht. Man sollte sich davor hüten, den Blick zu sehr auf die Herstellung von immer größerer Präzision zu richten. Dies gilt, auch wenn als Gebot akzeptiert wird, Ungleichheit rechtfertige sich, soweit sie denjenigen Menschen Vorteile bringt, die von vornherein weniger (etwa an Talenten, an Möglichkeiten) haben. Vieles lässt sich nicht präzise herstellen, und der hartnäckige Versuch, Präzision zu erreichen, schlägt schnell in andere Ungereimtheiten um.
Somit dürfte man folgenschwer vermögenden Menschen oder Familien die eingangs genannten Fragen stellen. Einige dürften Antworten liefern, die, zumindest relativ gesehen, zufriedenstellend sind. So die Brüder, die mit Gentechnik eigenhändig die staubfressende Hauspflanze erfunden haben. Aber auch derjenige, der das Team zusammengesetzt und gebührend bezahlt hat, um eine Krankheit aus der Welt zu schaffen. Sogar der Spekulant, der durch sein Spiel die Faulheit des Marktes und des Staates bloßgestellt hat. Und wenn diese herausragenden Unternehmer dann noch ihr Vermögen da einsetzen, wo es dem Wohl der Kultur oder der Verhinderung des gesellschaftlichen Verfalls dient, dann sollten sie vielleicht sogar etwas erstattet erhalten.
Andererseits ist allseits bekannt, dass der Markt ein Schurke ist, dem es keinesfalls gelingt, Fleiß und Talent, geschweige denn Risikobereitschaft, nur halbwegs zuverlässig zu belohnen. Ein erfolgreicher Geschäftsmann ist häufig einer, der es gewusst hat, den Markt zu manipulieren. Oder sagen wir es so, dass ertragreiche Geschäfte und ordentlich informierte Märkte sich selten vertragen. Die Geschäftsleute loben zwar den Markt, aber bis auf wenige Ausnahmen sind sie ihm nicht treu.
Die Abbildung der wirtschaftlich sinnvollen Tätigkeit mit Geld gelingt nur eingeschränkt. Daher kommt neben einer Einkommensteuer und den Verbrauchsteuern auch eine Ver- mögenssteuer gerechterweise in Frage. Man mag einwenden, dass damit die Verdienste doppelt besteuert werden; oder dass damit die Sparsamen bestraft werden, da, wo die Ausgabe- freudigen straffrei bleiben (als ob diese keine Verbrauchssteuer bezahlen müssten). Zum Wesen des Geldes gehört aber, dass es fließt. Die Herausforderung für eine Regierung oder Finanz- verwaltung besteht darin, die sehr verschiedenen und teilweise getrennten Kreisläufe des Geldes so zu steuern, dass einiger- maßen (besser geht es leider nicht) ein gesamtgesellschaftlicher Ausgleich erreicht wird beziehungsweise grobe Schieflagen vermieden werden.
Besonders grob ist allerdings die Rechnungslegung, so sehr ihre Anhänger sich um immer größere Präzision (meist in der falschen Richtung) bemühen. Sie braucht die Korrektur durch eine moralische Instanz. Das könnte so aussehen, dass Gremien aus nachweislich verantwortungsbewussten und gut gebildeten Bürgern über den individuellen Satz der Vermögenssteuer entscheiden. Sie hätten auch die Vorgabe, gelegentlich einen negativen Satz zu beschließen.
Man könnte alternativ die Zulassung von großen Vermögen etwas anders gestalten. Wer über ein großes Vermögen verfügt, ist gezwungenermaßen Investor. Und wenn dies ein professioneller Beruf wie jeder andere wäre? Dann müsste der Vermögende Mitglied eines Investorclubs sein. Der Club hätte einen Ausschuss, der über das standesgemäße Verhalten seiner Mitglieder wachen würde. Dieser Ausschuss würde mehrheitlich Mitglieder anderer Berufe mit einschließen, die in bedeutendem Maße gesellschaftliche Verantwortung tragen. Er könnte einen Vermögenden ausschließen, wenn sich herausstellt, dieser hätte sein Vermögen sowohl mit faulen Praktiken erworben als auch dubios verwendet. Somit wäre es nicht vor der Vermögenssteuer geschützt, beziehungsweise käme eine steuerliche Erleichterung nicht mehr in Frage.
Der Reformweg über die Steuergestaltung
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Der Abgang eines Hoffnungsträgers – CSR & Co.
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